Serie: Essener OB-Kandidaten im Check Inga Marie Sponheuer kämpft für Stadt, die keinen vergisst

Am 14. September findet in Essen die Oberbürgermeisterwahl statt. t-online stellt die Kandidaten in Kurzinterviews vor. Diesmal: Inga Marie Sponheuer von den Grünen.
Inga Marie Sponheuer (Grüne) ist seit vielen Jahren in Essen politisch und gesellschaftlich engagiert – von der Geflüchtetenhilfe über die Kulturarbeit bis hin zur Kommunalpolitik. Mit ihrer Kandidatur zur Oberbürgermeisterin verbindet sie das Ziel, Essen als weltoffene, soziale und klimafreundliche Stadt neu auszurichten: eine Stadt, die Vielfalt lebt, Gemeinschaft stärkt und den Mut hat, notwendige Veränderungen konsequent anzugehen.
t-online: Frau Sponheuer, wie würden Sie sich in einem Satz beschreiben?
Inga Marie Sponheuer: Ich bin jemand, die nicht einfach hinnimmt, wenn Dinge unfair laufen – das konnte ich noch nie. Lieber packe ich selbst an, als darauf zu warten, dass es andere tun. Ich habe viele Jahre mit Kindern, Jugendlichen und Familien gearbeitet – in ganz unterschiedlichen Lebenslagen. Das hat mich geprägt. Ich sehe, wo Menschen übersehen werden, und ich sehe, was besser gehen könnte. Ich bin empathisch, klar in der Haltung – und selten zufrieden mit dem Status quo. Weil unsere Gesellschaft sich bewegt, weil sich die Dinge verändern – und weil sich eine Stadt mitentwickeln muss, wenn sie für alle funktionieren soll. Ich glaube an eine Stadt, die niemanden vergisst – nicht nur für die Lautesten oder Reichsten. Und ich bin überzeugt: Politik muss näher ran an den Alltag, an die echten Probleme der Menschen. Privat bin ich Mutter, mit meiner Familie gern draußen unterwegs – und immer neugierig auf Perspektiven, die nicht meine eigene sind.
In welchem Moment haben Sie entschieden: Ich möchte OB werden?
Es gab nicht diesen einen großen Moment – eher viele kleine und auch sehr persönliche. Einer war, als ich mit meinem Sohn hinten auf dem Fahrrad nach Altenessen fahren wollte und wir die Fahrt abbrechen mussten, weil es einfach zu gefährlich war. Ein anderer, als ich aus meinem Beruf heraus eine angehende Erzieherin im Offenen Ganztag in Essen besucht habe – und gesehen habe, wie schwierig die Bedingungen dort für alle sind. Ein weiterer Moment: Ich stand mit dem Kinderwagen 15 Minuten am Bahnsteig, weil der Aufzug kaputt war und niemand kam. Dann habe ich mich im Rahmen eines Projekts mit einer jungen Teilnehmerin über die Situation an ihrer Schule unterhalten. Sie geht eigentlich gern zur Schule – aber die Bedingungen sind katastrophal. Und dann war da dieser Satz von einem wichtigen CDU-Parteifunktionär aus Essen. Es ging um eine Fahrradstraße, auf der heute noch die Autos dominieren. Und er sagte: "Ich möchte, dass sich hier gar nichts verändert." Da wusste ich: "Ich aber!" Weil sich etwas verändern muss – für Kinder, für Familien, für alle, die jeden Tag erleben, dass diese Stadt noch nicht für sie gemacht ist. Und weil sie die Herausforderungen und die Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen viel zu oft ignoriert. In solchen Momenten wurde mir klar: Ich will Verantwortung übernehmen – und zwar richtig.
Wie hat sich Essen in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Essen hat sich verändert – an vielen Stellen positiv: Es gibt starke Initiativen, spannende Kulturprojekte und eine engagierte Zivilgesellschaft. Aber bei den großen Themen wie bezahlbarem Wohnraum, Bildungsqualität oder gerechter Mobilität haben wir zu wenig erreicht. Die soziale Spaltung hat zugenommen, viele Familien fühlen sich abgehängt. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die in Armut aufwachsen, hat zugenommen. Auch beim Klimaschutz hinken wir hinterher. Ich finde: Essen kann mehr – und das will ich zeigen.
Was mögen Sie an Essen nicht?
Was ich an Essen nicht mag – und das sage ich ganz offen – ist, dass unsere Stadt an vielen Stellen nicht so gerecht, sicher und lebenswert ist, wie sie es sein könnte und sollte. Die Verkehrssituation ist ein gutes Beispiel: Zu Fuß unterwegs zu sein oder mit dem Fahrrad durch die Stadt zu fahren, ist oft nicht sicher. Es fehlen sichere Radwege, gute Querungen und eine Infrastruktur, die alle mitdenkt – nicht nur Autos. Gleichzeitig ist aber auch der Autoverkehr oft mühsam, weil man für kurze Strecken manchmal ewig braucht. Das ist weder effizient noch zeitgemäß. Was mir aber besonders am Herzen liegt: Die soziale Ungleichheit in unserer Stadt ist nicht hinnehmbar. Der Essener Norden kämpft seit Jahren mit schlechteren Bildungs- und Lebenschancen als der Süden – und das ist nicht gerecht. Jedes dritte Kind in Essen lebt in Armut. Jedes Dritte! Und das nicht erst seit gestern, sondern seit vielen Jahren. Dass wir das bisher nicht entschieden genug verändert haben, darf uns nicht mehr egal sein. Ich will das ändern. Ich will eine Stadt, in der Mobilität sicher und bequem für alle ist – ob zu Fuß, mit dem Rad, im ÖPNV oder im Auto. Und ich will eine Stadt, in der kein Kind in Armut aufwachsen muss, ganz gleich in welchem Stadtteil es geboren wird. Gerechtigkeit, Teilhabe und Lebensqualität – das darf nicht vom Wohnort abhängen. Dafür trete ich an.

Das ist Inga Marie Sponheuer
Inga Marie Sponheuer, 1984 in Essen geboren, ist ausgebildete Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin und studierte Sozialarbeiterin. Nach mehreren Jahren praktischer Tätigkeit im Gesundheitswesen erweiterte sie ihr Profil mit einem Masterabschluss in Kulturmanagement (2016). Beruflich war sie zunächst als Bildungsreferentin bei der Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit, Bildung, Kultur NRW und später als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Diversität in der kulturellen Bildung an der Musikschule Bochum tätig. 2024 übernahm sie eine Stelle als Referentin im Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW. Seit 2025 ist sie Lehrkraft an einem Berufskolleg in Mülheim mit Schwerpunkt in der Ausbildung von Erziehern.
Politisch ist Sponheuer seit 2018 aktiv bei Bündnis 90/Die Grünen in Essen. Sie war Sprecherin des Kreisverbandes (2023–2024), ist Bezirksvertreterin sowie stellvertretende Kulturbeauftragte und seit vielen Jahren in Initiativen wie "Seebrücke Essen" und "Aufstehen gegen Rassismus" engagiert.
Neben ihrer beruflichen Laufbahn engagiert sie sich seit vielen Jahren in der Geflüchtetenhilfe sowie in politischen Projekten. Sie war Mitgestalterin des europäischen Jugendkunstprojekts "Europefiction" (2018–2022) und erhielt bereits für ihr langjähriges Engagement die Integrationsmedaille des Bundes.
Wenn Sie eine Sache in Ihrer Amtszeit sofort und ohne zusätzliche Beschlüsse durchsetzen könnten, welche wäre das?
Ich würde den öffentlichen Raum endlich gerecht verteilen! Wir haben den Radentscheid und die Reduktion des Autoverkehrs auf 25 Prozent beschlossen. Doch in der Umsetzung blockiert die Rathausspitze bislang gewaltig. Ich würde die guten Pläne für den Lückenschluss unserer Hauptradrouten endlich aus der Schublade holen und die geplanten Busspuren umsetzen. So beende ich das Verkehrschaos und mache Alternativen zum eigenen Auto attraktiver und sicherer. Gleichzeitig würde ich die Verwaltungsspitzen an einen Tisch holen und sie verpflichten, Transparenz und echte Beteiligung als feste Bestandteile ihrer Arbeit zu verankern. Die Verwaltung soll künftig als Partnerin der Bürger*innen agieren, ihre Perspektiven ernst nehmen und die Expertise vor Ort systematisch in Entscheidungen einfließen lassen.
Wann waren Sie zuletzt im Stadion an der Hafenstraße – und wo landet Rot-Weiss Essen am Ende der neuen Saison?
Das letzte Mal war ich im Dezember 2024 im Stadion an der Hafenstraße zum Weihnachtssingen. Zur neuen Saison: Die Umfrage unter den Fußballtrainern zeigt, dass RWE zu den Favoriten für den Aufstieg in die 2. Liga zählt. Ich drücke natürlich fest die Daumen, dass dieser Traum in Erfüllung geht.
Hinweis der Redaktion: t-online hat alle Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl angefragt. Kandidaten, die auf die Anfrage nicht reagiert haben, werden bei den Kurzinterviews nicht berücksichtigt.
- Anfrage bei Inga Marie Sponheuer
- Website von Inga Marie Sponheuer